Bei Wertpapieren wird im allgemeinen von Risiko gesprochen, wenn die Kurse fallen anstatt zu steigen. Dabei ist die gängige Meinung: Bei Aktien ist das Risiko besonders groß.
Ist das aber tatsächlich so? Und sind Aktien daher für die Zukunftsvorsorge ungeeignet?
Mit dieser Frage beschäftigt sich unsere Beitragsserie. Teil 1 der Serie dreht sich um Risiken der Wertpapieranlage. Wir beschreiben die allgemeinen Risiken, die mit Wertpapieren verbunden sind. Und wir erläutern die speziellen Risiken von Aktien.
In den Teilen 2 und 3 unserer Serie geht es darum, wie wir Risiken der Aktienanlage reduzieren können. Ferner vergleichen wir eine vergleichsweise sichere Anlageform mit der Anlage in Aktien. Hohe Sicherheit bieten Bundesanleihen, also festverzinsliche Wertpapiere, die von der Bundesrepublik Deutschland herausgegeben werden.
Im Teil 4 geht es um zwei weitere wesentliche Gesichtspunkte der Zukunftsvorsorge mit Wertpapieren. Zukunftsvorsorge bedeutet meistens, regelmässig einen bestimmten Geldbetrag zur Seite zu legen. Welche besonderen Gesichtspunkte gibt es also, wenn Sie monatlich einen bestimmten Geldbetrag in Wertpapieren anlegen? Und welche Kosten bringt die regelmässige Anlage in Wertpapieren mit sich?
Allgemeine Risiken der Wertpapieranlage –
zunächst: Zinsrisiken
Bundesanleihen gelten als ziemlich sichere Anlageform. Hier tritt die Bundesrepublik Deutschland als Schuldner auf. Sie steht also für die Zinszahlung und die Rückzahlung der Bundesanleihe ein. Man könnte meinen, dass eine Bundesanleihe also absolut risikofrei ist.
Ist das so?
Stellen wir uns folgende Situation vor: Anfang 2019 haben Sie eine Bundesanleihe für 100 Euro gekauft, die über 10 Jahre einen Euro jährliche Zinsen erbringt. Diese Anleihe hat also eine Rendite von 1% (Tatsächlich waren die Zinsen Anfang 2019 niedriger. Aber unterstellen wir einfach einmal 1% Rendite – damit es sich leichter rechnen lässt).
Anfang 2024, nach fünf Jahren also, wollen Sie diese Anleihe wieder verkaufen. Inzwischen sind aber – das unterstellen wir – die Zinsen generell gestiegen. Anfang 2024 erbringen Bundesanleihen für 5 Jahre Restlaufzeit eine Rendite von 2%.
Die Frage ist jetzt: Würden Sie 2024 die 2019 bezahlten 100 Euro für Ihre Anleihe zurück erhalten, wenn Sie die Anleihe verkaufen?
Die Antwort ist natürlich: nein. Ein Anleger könnte 2024 nämlich 5 Jahre lang zwei Euro Zinsen für eine Bundesanleihe bekommen, die er für 100 Euro kauft. Das sind insgesamt 10 Euro Zinsen. Würde dieser Anleger aber Ihre Anleihe kaufen, erhielte er lediglich einen Gesamtbetrag von 5 Euro Zinsen im Laufe von 5 Jahren.
Letztendlich fließen also aus der Anleihe, die Sie verkaufen möchten, insgesamt 5 Euro Zinsen weniger an einen Anleger, der eine Bundesanleihe kaufen möchte.
Ihre Anleihe, die sie 2019 für 100 Euro erworben haben, werden Sie dementsprechend 2024 für etwa 5 Euro weniger, also zum Kurs von rd. 95 Euro verkaufen können.
Sie sehen an diesem Beispiel: Auch festverzinsliche Wertpapiere haben Risiken. Zunächst einmal geht es wie beschrieben um Zinsrisiken: Wertverluste aufgrund steigender Zinsen. Hinzu kommt ein zweites generelles Risiko: das Inflationsrisiko.
Zweites wesentliches allgemeines Wertpapierrisiko:
Das Inflationsrisiko
Stellen Sie sich hierfür einen Warenkorb vor, den Sie Anfang 2019 für 100 Euro gekauft haben. Also diverse unterschiedliche Produkte, die einen Gesamtpreis von 100 Euro hatten.
Nun sind – stellen wir uns das weiter vor -, nun sind 5 Jahre vergangen. Anfang 2024 würden Sie den Warenkorb gern erneut kaufen, der 2019 einen Preis von 100 Euro hatte. Anfang 2024 stellen Sie aber fest: Dieser Warenkorb kostet jetzt 120 Euro aufgrund der allgemeinen Preisentwicklung. Innerhalb von 5 Jahren hat Ihr Geld also 20% Kaufkraft eingebüßt, etwa 4 % pro Jahr.
Kurzum: Wertpapiere haben generell neben dem Zinsrisiko auch ein Inflationsrisiko. Das Risiko der Inflation ist heute etwas aus dem Blickwinkel geraten – nach vielen Jahren ziemlich stabiler Preise. Aber vielleicht erinnern Sie sich noch: In den 1970er Jahren hatten wir in Deutschland jährliche Preissteigerungsraten von bis zu 7%!
Risiken der Aktienanlage:
zunächst die allgemeinen Wertpapierrisiken…
Aktien sind Wertpapiere, mit denen Sie sich an einem Unternehmen, einer Aktiengesellschaft beteiligen. Sie werden also Miteigentümer. Sie haben also u.a. Anrecht auf Gewinne, die an die Miteigentümer ausgeschüttet werden. Wir sprechen hierbei von der Dividende.
Stellen Sie sich jetzt einmal folgendes vor – nennen wir es Situation 1: Sie können eine Aktie mit einer ziemlich sicher absehbaren Dividende von 1,50 Euro kaufen zu einem Preis von 100 Euro. Sie könnten diese Aktie zu einer Zeit kaufen, zu der Bundesanleihen 2% Rendite abwerfen. Beides soll für den gleichen Zeitraum gelten. Sie können sich also entscheiden: 1,5% Aktienrendite oder 2% Rendite auf eine Bundesanleihe. Wie würden Sie sich entscheiden?
Und nun stellen Sie sich bitte Situation 2 vor: Sie können die Aktie mit einer ziemlich sicher absehbaren Dividende von 1,50 Euro kaufen zu einer Zeit, zu der Bundesanleihen 1% Rendite abwerfen. Beides soll für den gleichen Zeitraum gelten. Sie können sich also entscheiden: 1,5% Aktienrendite oder 1% Rendite auf eine Bundesanleihe. – Wie würden Sie sich jetzt entscheiden?
Sie können erkennen: Die beiden Situationen können zu unterschiedlichen Entscheidungen führen. Die Zinssituation ist also auch für die Aktienanlage wesentlich. Auch für Aktien gelten somit Zinsrisiken.
Und diese Zinsrisiken gelten für Aktien ebenso wie alle generellen Risiken der Wertpapieranlage.
…daneben die speziellen Aktienrisiken
Nehmen wir an, Sie kaufen eine Unternehmensaktie. Sagen wir: Sie kaufen eine Daimler-Aktie. Welche Risiken gehen Sie ein? Allgemein gesprochen gehen Sie Daimler-Unternehmens- und Marktrisiken ein.
Zunächst einmal lassen Sie sich auf die besonderen Daimler-Risiken ein: die Risiken der Daimler-Modellpalette, die Risiken der Daimler-Fertigungstechnologie und alle weiteren besonderen Daimler-Risiken.
Aber natürlich betreffen Sie auch alle Risiken, die die Automobilbranche als Ganzes betreffen. Und Sie betreffen auch alle Risiken, die die deutsche Exportwirtschaft betreffen: z.B. Zollrisiken.
Es gibt also zahlreiche Risiken über das Daimler-Risiko, das Unternehmensrisiko hinaus. Diese Risiken, die Marktrisiken, können Sie nicht dadurch beherrschen, dass Sie statt einer Daimler- eine BMW-Aktie kaufen.
Zunächst haben wir also verstanden, welche Risiken es bei der Wertpapieranlage gibt. Und wir haben verstanden, welche speziellen Risiken bei der Aktienanlage bestehen. Zuletzt haben wir gehört, dass sich diese Risiken reduzieren lassen.
Aber wie geht das? Und was bedeutet das für die Zukunftsvorsorge mit Wertpapieren? Lesen Sie weiter in Teil 2 diese Serie!